Die Dorfkaiser haben ausgedient

Sie sind jung, offen für Neues und gehen Wege, die vorher undenkbar waren. Die jüngsten Bürgermeister Österreichs entstauben die alten, politischen Strukturen. Sie zeigen, warum es sich für Junge lohnt, sich in der Gemeindepolitik zu engagieren.

Die einen sitzen mit 25 Jahren in der Uni und lernen für die nächste Prüfung. Die anderen arbeiten in einem Betrieb. Doch einer tanzt aus der Reihe: Der Fügener Dominik Mainusch wurde im Vorjahr zum jüngsten Bürgermeister Tirols gewählt. Er konnte sich gegen den Langzeit-Bürgermeister der Gemeinde durchsetzen. Die beiden trennen nicht nur viele Lebensjahre, sondern vor allem die Art, politische Entscheidungen zu treffen. „Wir sind beide bürgerlich, beide ÖVPler, aber am Ende entscheide ich ganz anders, als er es damals gemacht hat. Das aber nicht auf Grund einer Ideologie oder der Partei, sondern wegen meines anderen Zugangs zu den Themen“, sagt Mainusch. Die Partei habe für ihn im Tagesgeschäft eines Kommunalpolitikers nichts zu suchen.

Bürger einbinden

Das hat sich in Fügen auch schnell gezeigt. Jahrzehntelang wurde in der Gemeinde um eine Lösung des Verkehrsproblems gekämpft. Es wurde diskutiert, geplant, mit dem Land verhandelt. Pläne wurden verworfen. Alles begann von vorne. Immer wieder. Auch Gemeinderatsbeschlüsse wurden revidiert. Die Bürger glaubten nicht mehr an eine Einigung. Doch genau die brachte der jüngste Bürgermeister Tirols. Nach eineinhalb Jahren im Amt hat er nicht nur eine Lösung auf den Tisch gelegt, sondern auch noch per aufwendigem Bürgerbeteiligungsprozess die ganze Gemeinde eingebunden. Zwischenzeitlich hat er die marode Bergbahn an einen Investor verkauft, der nun rund 70 Millionen Euro in den Motor der Tourismusgemeinde steckt. Als nächstes steht die Dorfkernrevitalisierung an. Auch hier werden die Fügener eingebunden.

Foto: Eva-Maria Fankhauser (6), Gerhard Rettenegger (5)

„Ich glaube, dass sich so die Menschen wieder mehr mit der Politik identifizieren können“, sagt Mainusch zum Thema Bürgerbeteiligung. Dennoch ist ihm bewusst, dass in den vergangenen Jahren das Vertrauen in die Politik stark gelitten hat. „Diese Politikverdrossenheit hat man meiner Meinung nach aber falsch interpretiert. Das ist nicht die Verdrossenheit gegenüber der Politik, sondern gegenüber den politischen Akteuren. Deshalb haben sich viele abgewandt“, sagt der mittlerweile 26-Jährige. Er hofft, dass junge Politiker und engagierte Leute das künftig ändern können. Besonders viel Hoffnung setzt er in seinen Partei-Kollegen Sebastian Kurz. „Durch ihn, den Umbruch im Land und den neuen Stil, fassen die Leute wieder mehr Vertrauen in die Politik. Man muss dieses Vertrauen behutsam behandeln und Verantwortung ernst nehmen. Wenn sich die Parteien nicht öffnen, anpassen und mit der Zeit gehen, dann verlieren sie massiv an Vertrauen“, stellt Mainusch klar.


Von 297 Bürgermeistern in Tirol sind nur acht unter 35 Jahre alt.

Jeder kann etwas tun. Politisches Engagement fängt für den jungen Dorfchef bereits dann an, wenn man versucht, andere Menschen von etwas zu überzeugen. „Ich bin zu Wahlzeiten selbst auch auf die Straße gegangen“, sagt der Fügener. Auch Demonstrationen oder Kommentare auf verschiedenen Plattformen seien für ihn Engagement. „Die Möglichkeiten, sich politisch einzubringen, sind vielfältig“, sagt er. Er stehe für Gespräche stets zur Verfügung. Ansonsten regt er an, sich im Dorfleben zu engagieren und so etwas zur Gesellschaft beizutragen, egal ob in Vereinen, bei ehrenamtlichen Tätigkeiten oder karitativen Einrichtungen. „Meine Vision ist ein anderer Zugang zu Politik und die Menschen einzubinden. Nicht von oben herab oder im stillen Kämmerchen Entscheidungen vorgeben, ohne zu überprüfen, ob die Gesellschaft oder die Bevölkerung das überhaupt will“, betont Mainusch.

Das direkte Gespräch

Das sieht Bürgermeister Ingo Hafele (27) aus St. Jakob im Defereggen (Osttirol) ähnlich: „Die Bürger können jederzeit mit mir reden, ich bin immer da, wenn es etwas gibt.“ Einige seiner Kollegen würden viel über Facebook regeln und zu den Bürgern sprechen. Das macht für ihn wenig Sinn. Er bevorzugt in der kleinen Gemeinde das direkte Gespräch. Politisches Engagement müsse für ihn vor allem auf Landes- und Bundesebene passieren. „Da kriegen die Jungen viel mehr mit als im kleinen Dorf. Da kann man mehr erreichen und mehr reißen“, sagt Hafele.

Foto: Gemeinde Badersdorf

Social Media nutzt Bürgermeister-Kollege Daniel Ziniel (24) aus Badersdorf im Burgenland schon gerne – vor allem, wenn es darum geht, die Jugend zu erreichen. „Das ist gut für Nebenbei. Ansonsten ist der persönliche Kontakt schon besser“, sagt er. Besonders oft werde er auch abseits des Gemeindeamts von den Bürgern angesprochen. Unverbindliche Gespräche in der Freizeit, unterwegs oder im Gasthaus seien wichtig, um Themen unverbindlich und einfach anzusprechen. „Das ist oftmals der Start für ein Gespräch, wenn mich so einfach jemand anspricht. Dann kann man einen Termin ausmachen“, sagt der junge Bürgermeister. Politisches Interesse verspüre er sehr viel in seiner Gemeinde. Bei der Jugend sehe es aber eher mager aus. „Ich bin da der einzige Junge“, sagt Ziniel. Es brauche aber junge Leute in der Politik, dadurch könne man die Parteien entstauben und für neuen Schwung sorgen. „Wir haben einfach einen anderen Zugang zu Politik, als andere Generationen“, betont er. Das alte System müsse aufgelockert werden.

Jüngster Bürgermeister

Foto: Gemeinde Eferding

Der jüngste Bürgermeister Österreichs, Severin Mair (24), stimmt Ziniel zu. Es sei toll, wenn junge Bürgermeister Verantwortung übernehmen, sich engagieren und in den Großparteien alte Strukturen aufbrechen können. Die Zeit sei reif. Genauso wichtig ist es für Mair, dass sich jeder Einzelne einbringen kann. „Die Leute sollen nicht nur sagen, was ihnen nicht passt, sondern sich am besten selbst für etwas engagieren“, sagt der Oberösterreicher. Selbst anpacken. Er sieht großes Potential in der jungen Bevölkerung. „Wir sind zum Teil offener, aktiver, kreativer und nicht in festgefahrenen Mustern drin. Wir gehen auf Ideen, die zuerst unmöglich oder komisch klingen, eher ein und schaffen so neue Wege“, erklärt Mair, der gerade seinen Grundwehrdienst leistet. Es seien oft Kleinigkeiten, mit denen man in der Gemeinde viel bewegen könne. Ein Beispiel dafür seien Verschönerungen in der Gemeinde, Spazierwege oder auch das neue Veranstaltungszentrum. „Niemand hat geglaubt, dass wir aus der alten Bruchbude etwas so Tolles und Modernes machen können“, sagt Mair. Politisches Engagement ist für ihn auch, wenn sich die Bürger in die örtlichen Vereine einbringen. „Man kann beim Kultur- oder Sportverein, bei der Freiwilligen Feuerwehr und dem Roten Kreuz helfen, die Gemeinde positiv mitzugestalten. Das kann auf niederschwellige Art und unterschiedliche Intensität passieren“, sagt der jüngste Bürgermeister Österreichs. Jeder kann etwas tun.

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