Umwelt

Ich trete der Zero Waste-Bewegung bei

Wie ich eine Pizza aus verpackungsfreien Zutaten backe und versuche keinen Abfall zu verursachen. Ein Selbstversuch.

Ein Berg aus Plastik, Karton und Zellophan liegt in meiner Küche. Das Verpackungsmaterial wird nun, nach dem Transport vom Supermarkt in meine Wohnung, ein schnelles Ende im Mistkübel unter meinem Waschbecken finden. Beinahe alles, was wir kaufen, besitzen und essen war irgendwann einmal in einer Verpackung. Ich schäme mich dafür, so viel Müll bei jedem Einkauf zu verursachen und will der Verschwendung ein Ende setzen.

 

 

Laut Zahlen von Eurostat entsorgt jeder Österreicher 560 Kilogramm Haushaltsmüll pro Jahr. Das sind 84 Kilogramm mehr als im EU-Schnitt. Dänemark hat das höchste Müllaufkommen pro Kopf, Österreich liegt beim "Mist machen" an siebenter Stelle. Das Umweltbundesamt misst regelmäßig Abfallströme: In Österreich fallen jährlich 1,3 Millionen Tonnen Verpackungsabfall an. Der österreichische Abfallwirtschaftsplan sieht als oberste Maßnahme vor, Müll zu vermeiden, trotzdem stieg das Müllaufkommen in privaten Haushalten und in Gemeinden in den letzten Jahren an.

Ich beschließe, für einen Tag lang der Zero Waste-Bewegung beizutreten. Zero Waste bedeutet, dass Menschen keinen Müll verursachen. Sie kaufen nur unverpackte Produkte. Wenn sie einkaufen, füllen sie Lebensmittel in eigens mitgebrachte Gläser, Boxen und Stofftaschen, die wiederverwendbar sind. So entsteht kein Müll. Die Gründlichsten rühren sich selbst Kosmetika an und verwenden waschbare Wattepads. Ich möchte nicht so rigoros beginnen und werde für diesen Selbstversuch zum ersten Mal verpackungsfrei einkaufen und eine Pizza backen.

Der Greißler spart Zeit und Geld

Ein Mann, der keinen Abfall verursacht, ist Alexander Obsieger. Er ist Inhaber von "Der Greißler - unverpackt. ehrlich.", einem der wenigen verpackungsfreien Geschäfte in Wien. Obsieger ist Mitte Zwanzig, seine Füße stecken in schwarzen Socken und schwarzen Birkenstock-Schlapfen, während er im hinteren Teil seines Ladens Butterbrote schmiert.

 

 

Seine These: Er spart Zeit und Geld, weil er jedes Produkt durch ein verpackungsfreies ersetzt hat. Ein Regal-Labyrinth aus unzähligen Duschgels, Zahnpasten und Reinigungsmitteln raube ihm die meiste Zeit. "Der Drogeriemarkt ist voll mit unnötigem Zeug", sagt Obsieger, der selbst mit Essig putzt, wie einst seine Oma es tat. Das Geschäft ist verpackungsfreie Zone und umfasst Lebensmittel und Alltägliches wie Zahnbürsten, Zahnputzpulver und lose Toilettenpapierrollen.

Aus hygienischen Gründen öffnet nur er die Gläser mit der Lebensmittelware und befüllt die mitgebrachten Behältnisse für seine Kunden. Obsieger begann vor einem Jahr abrupt müllfrei zu leben. Am schwierigsten sei es, kein Essen mehr zu bestellen, das zu 100 Prozent in Plastik daherkäme. Mittlerweile holt er seine Mahlzeiten selbst aus den Restaurants ab und lässt alles in sein mitgebrachtes Tupperware Geschirr einpacken. An das letzte Produkt, das er in einer Verpackung gekauft hat, könne er sich gar nicht mehr erinnern, sagt Obsieger.

Ich kaufe eine Rolle unverpacktes Toilettenpapier bei ihm und lasse mir die Rechnung per E-Mail schicken. 1,20 Euro. Kein Müll. Das fühlt sich gut an. Ich bin noch skeptisch, aber Zeit sparen und die Umwelt schonen, das will ich auch. Während mein Lebensgefährte Cola aus Pet-Flaschen trinkt und Toast aus Plastikfolie isst, stelle ich fest, dass ich kaum Lebensmittel vorrätig habe, die nicht aus einer Kunststoff- oder Kartonverpackung stammen. In meinem Haushalt fallen speziell in der Küche die meisten Verpackungsabfälle, vor allem aus Plastik, an. Das muss sich ändern.

Österreich fällt zurück

In Österreich stieg die Abfallmenge von Kunststoffverpackungen zwischen 2011 und 2014 um 27.800 Tonnen. Die Quote der Kunststoffverwertung liegt im langjährigen Mittel zwischen 33 und 35 Prozent. In Deutschland bei 50 Prozent. Dr. Marion Huber-Humer, Leiterin am Institut für Abfallwirtschaft an der BOKU in Wien, sieht den Vergleich von Statistiken und Zahlen in der Abfallwirtschaft als schwierig: "Jedes Land zählt anders". Aber grundsätzlich ließen sich Österreich und Deutschland gut vergleichen. Die Deutschen haben ein besseres System zur sortenreinen Rücknahme, deswegen ist die Recycling-Quote von Kunststoffen in Deutschland höher.

 

Eine Arbeitsgruppe der Europäischen Union, die IG Plastics, schlägt sieben Strategien im Umgang mit Kunststoffen vor, die wichtigsten Punkte sind:

  • Vermeidung von Wegwerfverpackungen wie Einmal-Kaffee-Becher
  • Getrenntsammelsysteme zur sortenreinen Sammlung
  • Pfandsysteme, vor allem für Plastikflaschen
  • Bio-Kunststoffe gelten als nicht umweltfreundlich

Huber-Humer: "Viele Bio-Plastikfolien sind Marketing-Gags", sie selbst wisse oft nicht, aus welchen Stoffen sich die Folien zusammensetzen und müsse diese im eigenen Labor testen. Die EU deklariert Bio-Kunststoffe aus Mais, Zuckerrohr oder Kartoffeln als keine umweltfreundliche Alternative. Tragtaschen aus Papier schneiden allerdings auch nicht besser ab, als das gewöhnliche Plastiksackerl. Seit 20 Jahren kennt Huber-Humer die Diskussion zum Verbot von Einweg-Verpackungen bei Lebensmitteln. Sie selbst wählt, wenn möglich, immer das verpackungsfreie Produkt. "So wie unser Leben abläuft, ist die Zero Waste Idee für den Normalverbraucher kaum machbar und ein ständiger Verzicht. Es ist ein schönes Ziel, aber nur wenigen vorbehalten", sagt Huber-Humer.

Ich hole meine leeren Marmeladen und Rexgläser aus dem Küchenkasten und packe sie in meine Einkaufstasche aus Stoff. Der Laden mit der größten Auswahl an unverpackten Lebensmitteln, ist Lunzers Maß-Greißlerei im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Mein Rad mit Einkaufskorb am Gepäcksträger erweist sich als praktisch, mir fällt erst im Stiegenhaus auf, wie schwer die Gläser in meinen Stofftaschen sind.

 

 

Die Greißlerin mit Disziplin

Wer bei Agnes Ruby-Lamsal einkauft, verursacht keinen Verpackungsabfall. Sie trägt ein knallpinkes Shirt, hat braune Haare und arbeitet 40 Stunden in der Woche bei Lunzers Maß-Greißlerei. Sie selbst lebt fast verpackungsfrei. Zero Waste war in ihrem Fall ein langsamer Prozess. "Manchmal siegt die Trägheit über die Disziplin", sagt die 28-Jährige und legt Äpfel im Stoffsackerl und danach Mehl im Glas auf die Waage.

 

 

Die Greißlerei hat wenig von einem Supermarkt. Auf einem großen Tisch stehen viele Gläser mit Schraubverschluss und kleinen Schaufeln, an der Wand hängen längliche Spender mit Hebeln. Die Preise sind in Kilogramm ausgeschrieben. Meine mitgebrachten Gläser werden leer gewogen und die Tara auf Etiketten notiert.

 

 

Mein Gefäß hat nicht die ideale Breite für die Mehlschaufel, deswegen benutze ich einen Metalltrichter, um das Mehl einzufüllen. Die Nüsse mit Schokoüberzug fallen senkrecht in mein Schraubglas, nachdem ich den Hebel drücke. Wenn ein Kunde zu viel in sein eigenes Glas abfüllt, darf die überschüssige Ware nicht wieder in die Spender zurückgeleert werden - der Hygiene wegen. Salz, Pfeffer und Kaffee lasse ich mit Hilfe einer Schaufel in meine Gläser rieseln.

 

 

Im Zero Waste-Geschäft kann ich über die Kaufmenge frei entscheiden. Ich fülle mir nur zwei Löffel Zucker in ein Gläschen, denn ich brauche nicht mehr. Das kostet 17 Cent. Die Gläser und Spender werden regelmäßig per Hand gereinigt und müssen dabei in alle Einzelteile zerlegt werden. "Das ist irre viel Arbeit, man ist ständig beim Putzen und Auffüllen", sagt Ruby-Lamsal. Für ihren Eigengebrauch fertigt sie selbst Cremes, Deodorant und sogar Zahnpasta an. "Geschälte Bananen in einer Plastiktasse sind unnötiger Müll", ärgert sich Ruby-Lamsal über den achtlosen Umgang mit Ressourcen.

 

 

Die Suche nach Lieferanten, die mit Pfandsystem oder im Großgebinde liefern, gestaltet sich schwierig. Deswegen ist das Sortiment bei Lunzers begrenzt. Die Gemüseabteilung ist überschaubar und die Produkte sind ehrlich: Am Salat klebt noch etwas Erde und am Tablett mit Cherrytomaten finde ich ein paar verschrumpelte und zwei leicht faule - ich wähle die schönsten aus.

 

 

Der Hartkäse in der Vitrine sieht trocken aus. Ich kaufe ihn trotzdem. Im hinteren Bereich stehen Milch, Joghurt und Säfte sowie Essig und Öle. Ich entscheide mich für Rotweinessig und lasse die Flüssigkeit aus einem runden Metallfass in meine Glasflasche fließen. Da ich ein Fläschchen zu wenig mitgebracht habe, kaufe ich ein Lunzers-Behältnis um knapp drei Euro und fülle es randvoll mit Olivenöl. Hefe für den Germteig gibt es nicht.

 

 

"Die Maß-Greißlerei ist eine tolle Idee, sagt Agnes Ruby-Lamsal, ich beobachte Menschen im Supermarkt, die ihr eigenes Doserl hinhalten und sagen: Bitte da rein“. Ohne Fließband und Barcode-Scan dauert die Bezahlung um einiges länger, als in einem konventionellen Supermarkt. Ich bezahle 51,54 Euro. Jetzt muss ich meine glasverpackten Waren heil nach Hause fahren. Das dauert 25 Minuten. Mein erster verpackungsfreier Einkauf hat 90 Minuten länger gedauert als im Supermarkt.

 


 

Während die Pizza im Ofen backt, vergleiche ich die Preise der beiden Einkäufe aus dem Supermarkt und aus der Greißlerei. Um ein realistisches Bild zu erhalten, habe ich in beiden Geschäften ähnliche Produktarten gekauft: Im Zero Waste-Geschäft nur Bio-Produkte, während ich im Supermarkt häufig zu Nicht-Bio-Produkten gegriffen habe, da ich mein typisches Supermarkt-Kaufverhalten als Maßstab genommen habe. Umgerechnet auf ganze Kilogramm und Liter, habe ich bei Lunzers um 26 Prozent mehr ausgegeben als in meinem Stamm-Markt. Bei Lunzers war der Geschmack von Milch, Tomaten und dem Olivenöl besser. Zwiebel und Knoblauch waren frischer. Der Käse war ausgetrocknet und hat mich enttäuscht.

 


 

Die Pizza schmeckt, dennoch bin ich gescheitert. Ich habe den organischen Abfall, wie Zwiebelschalen, nicht kompostiert, sondern in den Restmüll geworfen und somit Müll verursacht. Einen Tag lang habe ich verpackungsfrei gegessen und getrunken und es hat sich herausgestellt, dass Verpacken mit Maß und Ziel sinnvoll ist, um Produkte frisch zu halten. Spätabends habe ich mir noch einen Tee mit einem Aufgussbeutel gekocht. Faulheit siegte über Vorsatz. Weltverbessern war eben noch nie schnell und billig.

 

alle Fotos: Lisi Niesner

Autorin:
Lisi Niesner

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„Reparieren in entspannter Atmosphäre“

Defekte Kaffeemaschinen, Hosen mit aufgerissenen Nähten, alte Handys oder ein Fahrrad mit einem „Achter“: Kaputte Dinge werden oft einfach weggeworfen – im Repair Café kann man sie gemeinsam reparieren.

Morgens, kurz nach dem Aufstehen: Andreas geht in die Küche und will sich einen Kaffee herunterlassen. Er drückt den Knopf auf der Kaffeemaschine und die Maschine meldet sich mit einem lauten Knattern, aber es kommt kein Kaffee. Andreas drückt den Knopf nochmals und es knattert wieder. Keine Reaktion. Er probiert es ein drittes Mal – nichts passiert. „Ich brauche meinen Kaffee“, motzt er. Ohne die braune Brühe ist er nur ein halber Mensch. „Was tun?“, fragt er sich. Eine Reparatur ist zu teuer; wegwerfen will Andreas die Maschine auch nicht.

Genau für diesen Fall wurde 2009 in Amsterdam die Initiative „Repair Café“ gegründet: „Reparieren statt wegwerfen“ lautet hier die Devise. 2014 holte Michaela Brötz die Repair Cafés nach Tirol – genauer in die 1.100-Seelen-Gemeinde Pill: „Beim ersten Kontakt wurde ich gefragt, ob ich es ernst meine“, sagt Brötz - für die europaweiten Initiatoren war die Gemeinde Pill für diese Veranstaltung zu klein. Die Zahlen bewiesen ihnen das Gegenteil. 150 Personen nahmen am ersten Tiroler Repair Café teil und 60 kaputte Sachen wurden repariert. Seitdem gab es in Tirol 160 Termine mit über 16.000 Interessierten und mehr als 700 Ehrenamtlichen: Über 8.000 Geräte wurden repariert.

Das Repair Café Tirol war das achtzigste europaweit und die erste "Filiale" in Österreich. Inzwischen gibt es laut Brötz zwischen 30 und 40 Projekte – mit mehreren Standorten.

Die Reparaturen bei den Cafés werden von Ehrenamtlichen zusammen mit den Besuchern, also den Besitzern der kaputten Geräte, durchgeführt. So erlernen auch diese gleich das Handwerk. Die Zusammenarbeit ist eine Grundlage für die Repair Cafés. „Gemeinsam reparieren wir eigentlich alles, was man tragen kann“, sagt Michaela Brötz, „Kaffeemaschinen sind sehr viele dabei.“ Neben Haushaltselektronik reparieren die Teilnehmer Unterhaltungselektronik, Spielzeug, Fahrräder, Handys und auch Kleidung.

Mit Reparatur-Profis konkurrieren die Repair Cafés nicht: „Wir fangen das ab, was der Profi nicht herrichtet“, erklärt Brötz und fügt hinzu: „Wir schließen hier eine Lücke. Billiger Elektro-Schrott kann so vermieden werden“, sagt sie. Oftmals sind professionelle Elektriker dabei. Diese würden die Repair Cafés als Werbung für ihre Betriebe sehen.

Dass alles repariert werden kann, ist aber eine Illusion: „Es geht uns darum, dass wir die Einstellung zu defekten Dingen ändern“, sagt Brötz. In der heutigen Wegwerfgesellschaft sind Repair Cafés eine sehr gute Alternative: Geräte mit einem Produktwert unter 100 Euro werden selten zu einem Profi gebracht, weil die Reparaturkosten oftmals den Wert übersteigen. In einem Repair Café kann man die defekten Geräte gratis reparieren lassen – kleine Spenden sind aber gerne gesehen.

Haushaltsgeräte, wie Kaffeemaschinen, gehören zu den meist-reparierten Geräten bei den Repair-Cafés – so wie hier in Imst in Tirol.
Auch Kinder helfen mit – hier erklärt ihnen eine Näherin ihr Handwerk.
An den Erklärbars erläutern Kinder und Jugendliche meist älteren Menschen Handys, Tablets und andere technische Geräte.
Auch Musikgeräte können bei den Repair Cafés repariert werden.
Elektrogeräte lassen sich leicht reparieren.
Geschliffene Messer und reparierte Räder gibt es bei jedem Repair-Café.

Foto: Fetzner/Imst (2), Gruber/Schwaz (3), Klaus Madersbacher (1)

Ein Repair Café zu veranstalten, ist für jeden möglich: Man braucht nur einen Raum mit Stromanschluss, ein paar Experten – und, ganz wichtig, eine (große) Kaffeemaschine. „So können wir in entspannter Atmosphäre reparieren“, sagt Michaela Brötz. Sie empfiehlt für den Start mindestens drei Elektriker, einen Näher und einen Allround-Bastler als Experten. Außerdem brauche es etwa noch drei Personen für die Organisation.

Durch das Repair Café kann auch Andreas seine Kaffeemaschine gratis reparieren lassen. Und wenn er aufmerksam war, braucht er für den nächsten Defekt keine Hilfe mehr, sondern kümmert sich selbst um das Problem.

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Mit Herzblut für den Torf

Der Bürmooser Torferneuerungsverein hat sich zum Ziel gesetzt, ein Stück Natur in der Gemeinde wiederherzustellen, das von Menschenhand stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Aufgaben sind vielfältig, nur mit der Hilfe vieler Freiwilliger lässt sich dieses Ziel erreichen. Ein Lokalaugenschein.

Eigentlich kündigt sich gerade ein Gewitter rund um die Gegend des salzburgischen Bürmoos an. Doch Reinhard Kaiser klärt mit einer Gruppe Naturinteressierter gelassen die Frage um das Du-Wort, auf das man sich schnell einigt. Er ist Obmann des Torferneuerungsvereins von Bürmoos und seit über 25 Jahren ehrenamtliches Mitglied. Er kennt den Torf, die Geschichte, die Natur und mittlerweile auch das Wetter. Unbekümmert kehrt er den dunklen Wolken den Rücken zu und beginnt seine Führung durch das Areal des Torfvereins. Immer wieder witzelt er und betont bewusst das harte “T” im Vereinsnamen, “Weil wir ja nun mal kein Dorfverein sind”, sagt Kaiser.

 

Der 67-Jährige und die mehr als 600 Männer, Frauen und Kinder des Vereins haben sich ein Ziel gesteckt: Sie wollen das über Jahrtausende entstandene Torfgebiet rund um Bürmoos wiederherstellen - ehrenamtlich. Und sie haben einiges zu tun. Über neunzig Jahre wurde hier für die Glasindustrie in großen Mengen Torf gestochen. Rücksichtslos wurde mit Gräben das Gebiet entwässert, gerodet und Torf abgebaut. In vielen Arbeitsstunden und mit Liebe zur Natur haben die Mitglieder schon einiges erreicht. So konnten sie beispielsweise das beinahe verschwundene Torfmoos auf größeren Gebieten wieder ansiedeln. Es gelang ihnen auch, den seltenen, insektenfressenden Sonnentau oder die Zwergbirke wieder ansässig zu machen.

Foto: Lisi Niesner

Torf ist ein organisches Sediment, das aus modernden Pflanzen entsteht. Bei den Pflanzen handelt es sich dabei um das sogenannte Torfmoos. Dieses benötigt für das Wachstum einen sehr nassen Untergrund. In Bürmoos entstand dieses Moor in einer riesigen Senke, deren Untergrund Lehm ist. Dieser Lehm hinderte das vor tausenden von Jahren von den umliegenden Gletschern geschmolzene Eis am Versiegen. Mit der Zeit begann der entstandene See mit verschiedensten Pflanzen zuzuwachsen. So entstand ein idealer Nährboden für das Torfmoos. Seit tausenden Jahren wuchsen immer neue Schichten und ließen die alten nach unten sinken. Im Laufe der Zeit entstand dann durch Zersetzungsprozesse der Torf. Qualitativ guter Torf erreicht einen höheren Brennwert als Braunkohle.

46 Prozent der österreichischen Bevölkerung leisten formelle oder informelle Freiwilligenarbeit. Hier unterscheidet man zwischen den tatsächlich zählbaren Mitgliedschaften in Vereinen und Organisationen und den weitreichenden Tätigkeiten im Rahmen einer Nachbarschaftshilfe oder ähnlichem. In Österreich gibt es mehr als 120.000 Vereine. In den letzten fünfzig Jahren hat sich diese Zahl verdreifacht. 2,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind in solchen Organisationen tätig. Wenn auch die Ziele unterschiedlich sind, haben die Vereine eines gemeinsam: Alle sind auf freiwillige Mitarbeiter und deren Engagement angewiesen. Und diese Freiwilligkeit bedeutet, auf Freizeit zu verzichten. Doch immer mehr Menschen sind bereit, diese Zeit aufzubringen, um anderen zu helfen.

Reinhard Kaiser imitiert den Kuckuck täuschend echt.

“Der Kuckuck ist bei uns von April bis Juni zu Gast”, sagt Reinhard Kaiser. Doch jetzt haben wir bereits Ende Juni. Er formt die Hände zu einer Kugel, bläst hinein und wie von Zauberhand erklingt täuschend echt der Ruf eines Kuckucks. Ein paar Schritte weiter lässt eine kleine Schneise im Schilf einen schmalen Blick auf den wiederbelebten See zu. Libellen schwirren durch die dunstige Luft, Wasserläufer tummeln sich auf der Oberfläche und Gelsen holen sich ihre Ration Blut. “Nur die Weibchen - die Männchen stechen nicht”, weiß der Obmann. Und so geht die Tour weiter. An vielen, für den Laien unscheinbaren Plätzen, weiß der Naturliebhaber eindrucksvolle Vorgänge zu erzählen. Eben macht die Gruppe wieder Halt vor einem Haufen vertrockneten Schilfs. Die Gäste vermuten natürlich schon einen nicht entdeckten Grund dafür, finden jedoch keine Antwort. “Die Ringelnatter”, so der Obmann, “findet hier im wärmespeichernden Inneren des Haufens optimale Brutbedingungen für ihre Eier.”

Kein Nachwuchsmangel bei den Blaulichtorganisationen

Foto: Lisi Niesner

Auch bei den Blaulichtorganisationen ist das Engagement der Freiwilligen ungebrochen. Robert Schickbauer (links im Bild) ist für die Rekrutierung beim österreichischen Samariterbund in Salzburg zuständig. Er sieht dem künftigen Personalbedarf optimistisch entgegen. “Wir haben ausreichend Nachwuchs. Wir werben schon auch auf Messen und ähnlichen Veranstaltungen, um die Möglichkeiten bei uns aufzuzeigen, aber der tatsächliche Zugang erfolgt meist durch Mundpropaganda oder direkter Kontaktaufnahme. Wir wissen aber auch, dass 62 Prozent der Bürgerinnen und Bürger noch nie persönlich angesprochen wurden. Wir haben also noch Luft nach oben.” Allerdings erkennt er auch einen Trend, der bereits aus dem Berufsleben bekannt ist. “Wir müssen vielleicht künftig bei den Aufgabenverteilungen umdenken”, sagt Robert Schickbauer. “Man bemerkt bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern das Bedürfnis, zeitlich flexibler eingesetzt zu werden.” Bisher war es so, dass die Dienstpläne über lange Perioden hinweg festgelegt wurden. Immer öfter aber lassen die Ehrenamtlichen erkennen, dass sie sich kurzfristiger und spontaner einbringen möchten.

Menschen suchen Gleichgesinnte

Auch der Obmann des Bürmooser Torferneuerungsverein bestätigt diesen Trend. Für ihn erklärt sich das so: “In einer immer seelenloser werdenden Arbeitswelt, sehnt sich der Mensch immer mehr nach der Nähe Gleichgesinnter. Es bleibt im Berufsleben keine Zeit mehr für wirklich persönliche Unterhaltungen.” In seinem Verein ist es auch die ländliche Tradition. So ist es etwa ganz normal, dass die Eltern ihre Kinder mit in den Verein bringen. Die Aufgabenverteilung erfolgt je nach Fähigkeit und Interesse. “Mit der Zeit wächst man richtig in den Verein hinein. Und mit der Erfahrung steigt auch die Verantwortung. Viele der Mitglieder gehören bereits seit dem Kindesalter dem Verein an.” So ist es auch nicht verwunderlich, dass aus der mehr als 5.000 Seelen zählenden Gemeinde Bürmoos mehr als 600 Menschen Mitglieder im Verein sind.

Reinhard Kaiser gibt Wissen weiter, damit es auch künftig erhalten bleibt.

Reinhard Kaiser gibt Wissen weiter, damit es auch künftig erhalten bleibt. (Foto: Lisi Niesner)

Die Gewitterwolken haben sich endgültig verzogen und die Gruppe ist wieder an ihrem Ausgangsort angekommen. Der Obmann lädt die Runde zu einem abschließenden Umtrunk ein und gemeinsam werden noch ein paar offene Fragen rund um den Torf beantwortet. Dann verabschiedet sich der 67-Jährige herzlich von den Gästen und ist zufrieden. Denn er weiß, dass auch in zehn Jahren der Verein bestehen und das Gemeinsame weitergelebt werden wird.

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