Man muss nicht die Wale retten, den Klimawandel aufhalten oder Hungersnöte bekämpfen, um die Welt besser zu machen. Man kann in der eigenen Familie beginnen. Der Familientherapeut Dr. Rüdiger Opelt gibt Tipps, wie man die Gesprächskultur in politischen Diskussionen in der Familie verbessert.
Frage: Wie diskutiere ich ohne Streit in der Familie, wenn es unterschiedliche politische Ansichten gibt?
Rüdiger Opelt: Grundsätzlich sollte man die Meinung des anderen tolerieren. Aber es ging mir auch schon mit meiner Frau so: Obwohl wir die selbe Partei unterstützen, sind wir uns bei den jüngsten Krisen der Partei in die Haare gekommen. Dann muss man mit dem Diskutieren aufhören und sagen: Wir sind verschiedener Meinung, wir akzeptieren das.
Frage: Ist dann die einzige Möglichkeit, die Reißleine zu ziehen?
Opelt: Ein gutes Rezept ist auch Zuhören. Als ich Student war, konnte mir mein Vater interessiert zuhören. Auch ein gutes Rezept ist zu fragen: Was meinst du? Wie siehst du das? Damit man dann sagen kann: Jetzt verstehe ich, wie du das meinst und was dir wichtig ist.
Frage: Was kann man in der Diskussion in der Familie lernen?
Opelt: Einerseits Sachliches. Auf der anderen Seite ist die Diskussion immer ein Austausch von Werten. Beide Streitparteien können sich trotz unterschiedlicher Sachthemen für Freiheit einsetzen. Man kann sich also bei den übergeordneten Werten treffen, auch wenn der Weg zum Ziel ein anderer ist.
Frage: Also sollte man in der Diskussion von dem „Wie“ auf das „Was“ schwenken?
Opelt: Genau, das entschärft die Situation meistens. Ganz wichtig ist auch, dass man den anderen nicht abwertet. Zum Streit kommt es immer, wenn der andere schlecht gemacht wird.
Frage: Was mache ich, wenn ich ein Familienmitglied habe, bei dem nur die eigene Meinung zählt?
Opelt: Das ist oft ein Thema in den Familientherapien, dass es einen Tyrannen gibt und der will immer Recht haben. Da ist oft die Strategie der anderen, dass man mit ihm eben nicht diskutiert. Man kann ihn nicht von seiner Meinung abbringen. Man kann ihm auch nicht das Gegenteil beweisen, weil er nicht zuhört. Die beste Strategie, ein unerwünschtes Verhalten zum Verschwinden zu bringen, ist, es zu ignorieren.
Frage: Wie geht man damit um, wenn jemand eine politische Meinung vertritt, die sonst niemand in der Familie vertritt?
Opelt: Man kann immer schweigen. Wenn ich nicht widerspreche, ist die Sache gelöst. Es ist aber auch möglich, Kritik diplomatisch-positiv zu formulieren oder Gegenfragen wie „Was meinst du?“ zu stellen. Eine Technik in der Psychologie ist das Spiegeln. Man hört zu und wiederholt dann, was der andere gesagt hat: „Jetzt verstehe ich, du meinst also, dass …“ Damit ist mein Gesprächspartner zufrieden. Ich habe ihn verstanden und widerspreche ihm auch nicht. Damit kann ich jeden Konflikt stoppen.
Frage: Wenn man anderer Meinung ist, sollte man trotzdem nicht widersprechen?
Opelt: Das man anderer Meinung ist, muss man nicht hervorkehren. Man hat die strategische Wahl zu sagen, jetzt bring ich ihn auf die Palme und schmeiße der Person meine gegenteilige Meinung zurück. Dann provoziere ich aber. Das ist manchmal notwendig. Ich kann jemanden mit Provokation vom Familientisch verjagen. Oder man kann vom Thema ablenken, um den Frieden zu wahren. Es kommt darauf an, was man erreichen will.
Frage: Was macht man, wenn man einen Provokateur in der Familie hat?
Opelt: Das sind die sogenannten Besserwisser. Die politische Meinung ist nur Mittel zum Zweck. Diese Personen wollen sich einfach nur großartig fühlen. Denen muss man schon Grenzen setzen. Da kann man mit Fakten kontern und mit Wissen widerlegen. Oft ist es nur Halbwissen, das diese Personen glauben möchten. Da ist oft nichts dahinter. Es ist meist nur ein Luftballon, in den man nur hineinstechen muss. Dann platzt er.
Frage: Was kann ein junger Mensch machen, der wegen politischer Diskussionen mit seinen Eltern im Streit ist?
Opelt: In den Pubertätsdiskussionen werden die politischen Diskussionen oft verwendet, um sich von den Eltern zu distanzieren. Der Konflikt zwischen den jungen Grünen und Eva Glawischnig war ein typischer Pubertätskonflikt, nur dass sich Glawischnig auch sehr pubertär verhalten hat. (lacht) Was es in der Vergangenheit gegeben hat, dass man sein Kind wegen der politischen Einstellungen vor die Tür setzt, das gibt es seit 50 Jahren nicht mehr. Außer eben bei den Grünen. (lacht)
Frage: Braucht es in der Politik junge Menschen, die mit den alten politischen Vorstellungen brechen?
Opelt: Ja. Die Aufgabe der Erfahrenen ist es, diese zu integrieren und nicht, sie zu verstoßen. Eine Partei, die sich Demokratie auf die Fahnen heftet, darf sich nicht so undemokratisch verhalten und einfach Parteiausschlüsse verhängen.
- Zuhören
- Verstehen
- Gemeinsames suchen
- Nicht abwerten
- Grenzen setzen, aber nur wenn nötig
Frage: Sollte man den Jungen in der Politik mehr Chancen geben, auch wenn der Ansatz ein anderer ist?
Opelt: Man kann deutlich machen, dass es nicht die Parteilinie ist. Aber das ist ja meistens so. Die SPÖ-Jugend hat immer schon auf die Partei geschimpft. Josef Cap, der heute Nationalratsabgeordneter der SPÖ ist, war einer der großen Rebellen im VSSTÖ (Verband Sozialistischer Studenten Österreichs). Kreisky wäre nie auf die Idee gekommen, ihn auszuschließen, weil er so frech war.
Frage: Ist es die Aufgabe der Jugend, frech zu sein?
Opelt: Die Jungen müssen protestieren dürfen und sagen können, dass sie etwas anderes wollen. Nach zehn Jahren bekommen sie auch die Gelegenheit, es zu probieren. Irgendwann kommen sie ans Ruder und setzen dann Vieles um.
In unserem Video-Bericht erzählen junge Menschen von ihren Erfahrungen in der Familie. Rüdiger Opelt fasst die fünf besten Tipps zusammen:
Interview & Video:
Cornelia Grotte