Beschimpfungen, Aufrufe zur Gewalt – bis hin zur Verharmlosung des Holocaust. Das Internet wird immer mehr zur Bühne für Extremisten. Wie jeder von uns der Hetze im Netz entgegentreten kann.
„Hackt ihm die Füße ab und lasst ihn laufen“, schrieb ein Mann auf Facebook über einen ausländischen Straftäter. „Diese Ratten“ solle man „ausrotten“. Ein anderer sah „illegal importiertes Gesindel“ und „Rudel von feindlichen Arabern“. Eine Frau schrieb im Zusammenhang mit dem Vernichtungslager Auschwitz von „Lügen“.
In einer aufgeheizten Stimmung, speziell seit dem Höhepunkt der Fluchtkrise im Herbst 2015, stieg zuletzt nicht nur die Anzahl der Verurteilungen wegen Verhetzung, auch werden immer mehr Menschen nach dem Verbotsgesetz verurteilt (siehe Grafik). Dazu trugen auch Kommentare und Inhalte im Internet bei. Hasskommentare wie die eingangs genannten grassieren seit dem Höhepunkt der Fluchtkrise vor zwei Jahren verstärkt im Internet – speziell in sozialen Netzwerken. Gehetzt wird oft gegen Flüchtlinge, aber auch gegen andere Minderheiten und Andersdenkende. Viele User stolpern über solche Inhalte und fragen sich: Was kann ich tun? Die gute Nachricht: Jeder kann sich dagegen etwas tun und das Klima im Internet verbessern – statt solche Nutzer nur zu blockieren oder auszusteigen.
Bedenkliche Kommentare melden
In einem ersten Schritt können Kommentare oder andere Inhalte dem Betreiber der Seite gemeldet werden. Facebook etwa weigert sich jedoch oft, die Inhalte aus dem Netz zu nehmen. Demnach verstoßen hierzulande verbotene Inhalte nicht gegen die „Gemeinschaftsstandards“ des in Irland ansässigen Unternehmens. In Deutschland will man dem mit einem neuen Gesetz entgegen treten, das hohe Strafen androht, falls Inhalte trotz Aufforderung der Behörden nicht gelöscht werden.
Darüber hinaus nehmen das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), stopline.at oder die Initiative ZARA Meldungen entgegen. Dort werden die Inhalte dokumentiert und über Berichte an die Öffentlichkeit getragen. Das DÖW gibt dem, der sich an die Meldestelle gewandt hat, zudem eine Einschätzung, ob die Kommentare tatsächlich strafrechtlich relevant sein könnten.
Extreme Inhalte anzeigen
Direkt angezeigt werden können sie mit Link und Screenshot bei der NS-Meldestelle des Innenministeriums (siehe Infokasten). Die Behörden sieben dann die relevanten von den irrelevanten Meldungen aus. Jene, bei denen der Verdacht auf ein strafrechtliches Vergehen besteht, werden an die Justiz weitergeleitet. Im Unterschied zum DÖW bekommt man hier keine Antwort, auch wenn Ermittlungen eingeleitet werden. Das Ministerium berichtet jedoch, dass bei immer mehr der Meldungen der Verdacht auf eine Straftat bestehe. „Die Qualität der Meldungen hat sich stark verbessert. 2015 wurden 1.350 von 3.913 Meldungen weiter verfolgt, im vergangenen Jahr waren es dann 1.575 Meldungen – obwohl die Zahl der Meldungen insgesamt mit 3.124 rückläufig war“, erläutert Ministeriums-Sprecher Alexander Marakovits. Die Bevölkerung konnte somit offenbar besser einschätzen, welche Vergehen tatsächlich strafrechtliche Relevanz haben könnten.
Was auffällt: Die Anzahl der Meldungen an die NS-Meldestelle (siehe Grafik) ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das habe einerseits mit der Fluchtkrise zu tun. Andererseits sei das Bewusstsein der Bevölkerung geschärft worden, heißt es dazu aus dem Ministerium. Früher hätten Bedenken bestanden, persönlich zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Die neue Meldestelle funktioniert deshalb anonym – Daten der User werden also nicht weitergegeben. Nicht selten kommt es nach Meldungen auch zu Verurteilungen. Wie im Falle der Frau, die im Zusammenhang mit dem Vernichtungslager Auschwitz von „Lügen“ schrieb.
Meldestellen und Links zum Thema Hetze im Internet
- Neonazistische, rassistische oder antisemitische Inhalte können den Behörden anonym unter ns-meldestelle@bvt.gv.at gemeldet werden.
- Einen Leitfaden zum Thema Umgang mit Hasskommentaren hat „saferinternet.at“ online gestellt.
- Facebook-Gruppen haben sich der Verbesserung des Diskussionsklimas in sozialen Netzwerken verschrieben. Eine von ihnen findet sich unter dem Hashtag „#ichbinhier“.
- „ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit“ nimmt Meldungen entgegen.
- Rechtsextreme Inhalte können auch dem „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“ gemeldet werden.
- Eine weitere Meldestelle gegen Kinderpornografie und Nationalsozialismus im Internet ist „Stopline„.
Mitdiskutieren und so Gegenwind erzeugen
Nachhaltiger ist aber oft die zweite Möglichkeit: Dagegen argumentieren, ruhig und sachlich. So macht es etwa der Wiener Patrick Spychala, der sich als User im Netz gegen Hasskommentare stellt. „Man kann das nicht einfach so stehen lassen. Das bringt diesen Schwachsinn nur wieder in die Mitte der Gesellschaft. Man muss widersprechen“, erläutert Spychala seine Motivation.
Zum Beispiel habe er sich nach dem Tod von 71 Flüchtlingen in einem Kühllaster im August 2015 in Diskussionen eingemischt. Die Flüchtlinge, darunter auch Kinder, waren auf der Flucht im Wagen erstickt. User hätten in sozialen Netzwerken dann kommentiert, „dass man das eh mit denen so machen sollte. Dass man sie einsperrt und erstickt“, erinnert sich Spychala. „Ich frage die Menschen dann, ob sie das wirklich ernst meinen und was andere Menschen so viel weniger Wert macht“, erzählt der 28-Jährige. „Wenn das viele machen, entsteht ein Gegenwind für solche Kommentarschreiber.“ Den spürt dann nicht nur das direkte Gegenüber, sondern auch die vielen stillen Mitleser. Genau um die gehe es hauptsächlich, meint auch Bernhard Weidinger vom DÖW.
Sehr oft seien die Reaktionen der Angesprochenen jedoch positiv, sagt Spychala. Es handle sich vielfach um Kurzschlussreaktionen, die vom Verfasser nicht durchdacht waren. „Man klickt ‚Gefällt mir‘ oder teilt etwas, ohne nachzudenken. Wenn dann jemand sagt: ‚Schau dir das noch einmal an‘, dann kommt oft zurück: Stimmt, das war ein jetzt ein Blödsinn“. Ein Beispiel dafür, was das Engagement jedes Einzelnen bewirken kann.
Autor:
Matthias Sauermann